November 2014

November 2014


Liebe Scholé-Freunde,

Ich bin gut zurück aus Hawaii und es gibt viel zu berichten – als erstes von dem André Stern-Workshop, an dem ich kurz vor unserer Abreise noch teilnehmen konnte. Veranstalter waren Sigrid Haubenberger und die Freilerner, denen André Stern den Großteil der Einnahmen überlassen hat, weil er sie in ihrem Rechtsstreit um die Jahresprüfungen auch finanziell unterstützen möchte!

Wie nicht anders zu erwarten, waren es echte Stern-Stunden, denn die Lebendigkeit und Begeisterung, die dieser Mann ausstrahlt, sind hoch ansteckend! Durch Wagenhofers Film ALPHABET ist er gemeinsam mit Gerald Hüther zum Herold einer Ökologie der Kindheit geworden, deren Grundsatz lautet: Wenn du vom KIND ausgehst, kannst du nichts falsch machen, denn das Kind zeigt uns ständig den Weg der Liebe und Wahrhaftigkeit!

André Stern hatte das seltene Glück, als Kind in all seinen angeborenen Anlagen respektiert zu werden, wobei seine Eltern jede dieser Anlagen gleich wichtig nahmen. Sie haben ihm, sagt er voll Dankbarkeit, immer das Gefühl gegeben: DU BIST PERFEKT, SO WIE DU BIST! Niemals haben sie irgend etwas von ihm erwartet, stattdessen haben sie ihn mit liebevoller Anteilnahme beobachtet, freudig gespannt, welchen Entwicklungsschritt er als nächstes machen würde.

Diesen Weg der natürlichen Entfaltung geht er heute gemeinsam mit seinem kleinen Sohn Antonin weiter, der ihm ganz deutlich bewusst macht, was Kinder wirklich brauchen:

Kinder wollen SPIELEN! Eben dazu sind sie hierher gekommen. Schon im Mutterleib spielen sie mit der Nabelschnur oder ihren eigenen Fingern und Zehen, um sich und die Welt um sie herum zu erkunden. Spielend lernen sie krabbeln, stehen, gehen, sprechen usw., und im selben atemberaubenden Tempo könnte es weitergehen, falls ihre Welt nicht plötzlich erschüttert wird durch den Satz: „Schluss mit Spielen, jetzt beginnt der Ernst des Lebens – du musst etwas lernen!“ Die schrecklichsten Folgen hat dieser Satz, wenn er von geliebten Bezugspersonen ausgesprochen wird, denn dann zieht er dem Kind buchstäblich den Boden unter den Füßen weg: Es hat doch sein Leben lang nichts anderes getan als spielend zu lernen – wenn es jetzt mit dem Spielen aufhören soll, kommt das der Aufforderung gleich: „Atme, ohne dabei Luft zu holen!“ Da es diese Anforderung beim besten Willen nicht erfüllen kann, zieht es den logischen Schluss daraus: Ich bin nicht in Ordnung, so wie ich bin! Und das löst in seinem Gehirn die typischen Angstreaktionen aus: Angriff, Flucht oder Erstarren – drei Zustände, in denen Lernen gar nicht mehr möglich ist…

Kinder wollen auf alle Lebewesen mit offenem Herzen zugehen! Sie kennen keine Hierarchien und keine Klassenunterschiede, für sie ist alles ist belebt, sie können sich für Kieselsteine oder Papierschnitzel genauso begeistern wie für die teuersten Spielsachen. Wir haben die Chance, das von und mit ihnen wieder zu lernen, sofern wir es nicht vorziehen, sie zu erziehen, d.h. nach bestimmten gesellschaftlichen Normen umzubilden, denn:

Kinder sind geborene Nachahmer! Als Erwachsene sollten wir darum auf unsere Worte und Handlungen sehr genau aufpassen…Wird ein Kind in seinen Bedürfnissen geachtet, so wird es auch die Bedürfnisse seiner erwachsenen Begleiter zu achten lernen. Kinder brauchen also keine Grenzen, sondern sie brauchen Orientierung: Das beste Vorbild ist ein Mensch, der so sehr er/sie selbst ist, dass er/sie das Kind dadurch ermutigt, ganz es selbst zu sein!
Kinder wollen in die weite Welt hinaus gehen: Sie wünschen sich keine „kindgerechte Umgebung“ und kein pädagogisch wertvolles Spielzeug, sie leiden unter der übertriebenen Sorge vieler wohlmeinender Erwachsener und sie wollen sich auf keinen Fall ständig unter Gleichaltrigen aufhalten müssen (das Zusammensein mit Gleichaltrigen bedeutet für Kinder sogar meistens besonderen Stress, wie man schon an der Konkurrenz in der Sandkiste leicht beobachten kann). André Sterns Sohn Antonin muss weder in den Kindergarten noch auf den Spielplatz gehen, er darf mit seinem Vater die Welt erforschen: Seine Helden sind die Müllmänner, der Kranfahrer, das Polizeiauto mit Blaulicht, der Bauer im Mähdrescher oder der Pizzabäcker am Straßeneck… Und die Begeisterung des kleinen Jungen wirkt auf seine Helden zurück: Unter Antonins bewunderndem Blick hat der Pizzabäcker ein völlig neues Selbstbewusstsein entwickelt – das ist sogar seinem Chef aufgefallen, der es André begeistert berichtet hat!

An den Schluss möchte ich ein bewegendes Zitat von Malort-Begründer Arno Stern stellen, mit dem sein Sohn die von Zuhörern gestellte Frage beantwortet hat, ob Kinder durch Lob ermutigt werden sollen: „Keiner hat das Recht, deine Spur zu beurteilen!“

Die Hawaiireise, von der ich vorgestern zurückgekommen bin, hat mir und meinen 19 Mitreisenden so vielfältige Eindrücke beschert, dass es sehr schwer ist, darüber in dürren Worten zu berichten… Unter der Leitung von Andrea Mikisch, die kein vorgefasstes Reiseprogramm abspulte, sondern sich ganz auf ihre Intuition verließ, haben wir Big Island und seine Bewohner von verschiedensten Seiten kennengelernt:

Wir sind im offenen Meer mit Delfinen und Wasserschildkröten geschwommen, haben an schwarzen und weißen, steinigen oder sandigen Stränden gebadet und Heilarbeit geleistet. Ein Teil der Gruppe war auf dem 4205 m hohen Mauna Kea, dem höchsten Gipfel der Welt, wenn man hinzurechnet, dass sein Fuß in mehr als 6000 Metern Meerestiefe liegt. Im Krater des Mauna Loa haben wir die glühende Lava brodeln gesehen, die gerade eine Stadt mit 40.000 Einwohnern bedroht, und wir haben gehört, dass manche der betroffenen Einheimischen die Häuser, die sie verlassen müssen, putzen und schmücken, um sie freiwillig Pele, der Göttin des Feuers und der Transformation zu opfern.

Wir haben ein verborgenes Heiligtum dieser Göttin gesucht und gefunden und sind von einem jungen Hawaiianer auf abenteuerlichen Pfaden zu einem 300m hohen Wasserfall geführt worden, den Fremde sonst niemals zu Gesicht bekommen. Auf langen Fahrten mit dem Jeep haben wir verschiedenste Vegetationszonen, vom Regenwald bis zur trockenen Lavawüste durchquert, dabei haben wir Armut und Reichtum gesehen, die schmerzlichen Spuren unserer westlichen Zivilisation. Im Garten unseres luxuriösen Hauses haben wir tagtäglich die frischen Früchte genossen, die diese Insel in reicher Fülle hervorbringt, und sie mit zahmen Geckos geteilt.

Wir sind Walfischflüsterern und Ufo-Spezialisten begegnet, sie haben uns Neues von den Sternenwesen berichtet, die von den eingeborenen Hawaiianern seit jeher als ihre Ahnen verehrt wurden. Eine Kahuna-Priesterin hat auf dem Vulkan mit uns ein Ritual vollzogen und uns danach in ihr Haus eingeladen. Ihre wichtigste Botschaft, an die wir einander ständig erinnern sollten, möchte ich euch gerne weitergeben: I am magnificent, you are magnificent, we are magnificent! Kinder, die mit diesem Glaubenssatz aufwachsen, könnten die Erde wieder in ein Paradies verwandeln!

Welche „Spätfolgen“ diese ganz besondere Reise für das Projekt Scholé nach sich ziehen wird, lässt sich noch nicht ermessen. Auf jeden Fall bin ich Menschen begegnet, die mitmachen wollen und unglaubliche persönliche Ressourcen einzubringen haben! Bald werdet ihr mehr darüber hören…

Für heute nur noch eine praktische Bitte: Sibylle möchte die Organisation von Vorträgen oder Seminaren (wie z.B. die Kurse von Irina Lang) allein übernehmen, wofür ich ihr sehr dankbar bin! Bitte wendet euch mit Anmeldungen und Fragen ab nun nur noch an sie: sibylle.eisenburger@tmo.at

Aloha! Alexandra und Sibylle